Marke der Woche: Mut gegen Unrecht
Unsere heutige Marke der Woche erinnert an einen ganz besonderen Menschen, dessen Andenken in Deutschland fast vergessen scheint. In Schweden und in Südamerika hingegen steht sein Name heute noch für den unbeugsamen Kampf gegen staatliches Unrecht. Seine Name ist Harald Edelstam, auch bekannt als „der späte Raoul Wallenberg“. Morgen, am 16. April, jährt sich sein Todestag zum 24. Mal. In Uruguay erschien am 17. März eine Sondermarke anlässlich seines 100. Geburtstages.
Gleich dem wesentlich bekannteren Wallenberg war Edelstam Diplomat. Und ebenso nutzte er seine Immunität und den Einfluss der schwedischen Botschaft, um Verfolgten Schutz und Asyl zu gewähren. Bereits 1941 half er in Berlin jüdischen Familien zur Flucht. Nach seiner Versetzung nach Oslo 1942 sympathisierte er mit den norwegischen Widerstandskämpfern der „Hjemmefront“ und schleuste etliche außer Landes, bevor sie von den deutschen Besatzungstruppen gefasst werden konnten. Diese Erfahrungen seiner jungen Jahre schienen Edelstam nachhaltig zu prägen. Anders ist sein späteres Engagement nicht zu erklären.
Nach seiner Ernennung zum Botschafter 1972 sandte die schwedische Regierung Harald Edelstam nach Chile, wo er in Santiago die Beziehungen zur sozialistischen Regierung unter Salvador Allende pflegte. So wurde er Zeuge der Staatskrise in Chile, die schließlich mit dem Militärputsch am 11. September 1973 unter der Führung von Ausgusto Pinochet eskalierte. Tausende Anhänger Allendes wurden in den ersten Tagen des Umsturzes getötet, ungleich mehr in Konzentrationslagern zusammengetrieben, Zehntausende fielen anschließend Folterungen und Hinrichtungen zum Opfer. Von den USA verdeckt unterstützt und von etlichen Regierungen öffentlich befürwortet – der Kalte Krieg kannte keine Menschenrechte – wüteten Pinochets Gefolgsleute in unbarmherzigem Staatsterror unter der Bevölkerung. Auch zahllose Exilanten aus Uruguay und Brasilien, die ihrereseits vor Militärdiktaturen geflohen waren, gelangten in die Mühlen des Systems.
Wieder ergriff Harald Edelstam die Initiative und setzte sich für die Opfer ein. Er soll zwischen 500 und 1000 Chilenen politisches Asyl in Schweden verschafft haben, teils holte er sie direkt aus den Konzentrationslagern, verfrachtete sie in Busse und ließ sie nach Schweden ausfliegen. Der deutsche Diplomat Klaus Wilhelm Platz schilderte etwa in seiner Autobiographie, wie Edelstam mit unzureichenden Papieren eine Gruppe Kubaner aus dem als Gefangenensammelstelle dienenden Estadio Nacional geschleust hatte. Der Coup gelang, doch der verantwortliche Wärter des chilenischen Regimes fiel wenige Tage später einem „plötzlichen und unerwarteten“ Tod zum Opfer. Aber auch Edelstam selbst riskierte Leib und Leben bei seinen Unternehmungen. Die Zeit berichtete in der Ausgabe 49 von 1973: „Den schwedischen Botschafter Harald Edelstam hat es am vorigen Wochenende erwischt: Trotz Zusage der Militärdienststellen wurde er von Carabineros und Soldaten zusammengeschlagen, als er eine unter seinem Schutz stehende Exil-Uruguayerin vor der Verhaftung schützen wollte (zum Archivbeitrag).“ Das Regime reagierte zunehmend aggressiv auf den unnachgiebigen Schweden. Als die kubanische Botschaft, in die sich zahlreiche Chilenen geflüchtet hatten, von Pinochets Truppen beschossen wurde, ergriff Edelstam eine schwedische Flagge und stellte sich vor die anrückenden Panzer. Während er die kubanische Botschaft – völkerrechtlich sicherlich zweifelhaft – zu einem Teil der schwedischen Vertretung erklärte und so eine Feuerpause erwirkte, bestiegen die Flüchtlinge auf der Rückseite des Gebäudes bereitstehende Busse und entkamen. Spätestens jetzt war die Position Harald Edelstams nicht mehr haltbar. Vom Regime zur „persona non grata“ erklärt, vermochte auch die schwedische Regierung ihren scheinbar außer Kontrolle geratenen Botschafter nicht mehr zu stützen. Sie billigte erleichtert seine Ausweisung.
In Südamerika würdigt man sein Ansehen bis heute. In Chile agiert eine Gesellschaft unter seinem Namen und in Kuba war er zwischenzeitlich zum Volkshelden avanciert. Nicht schlecht für einen gebürtigen Adligen… Seine Karriere beendete er schließlich in Algerien, wo er bis 1979 tätig war. Doch sein Beispiel, sich auch angesichts größter Bedrohung auf die Seite der Opfer zu stellen, wird hoffentlich weiterhin Menschen berühren und sie dazu bewegen, es ihm gleich zu tun.
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