Streit um Kompetenzen
Harte, nach deutschem Geschmack aggressive Wahlkämpfe erlebten die Vereinigten Staaten von Amerika immer wieder. Nicht erst die Präsidentschaftskandidaten jüngerer Zeit setzten während ihrer Kampagnen Mittel ein, die vielleicht nicht unbedingt dazu beitrugen, nach dem Wahltag aufeinanderzuzugehen und im Tagesgeschäft den Schulterschluss zu suchen. Schon kurz nach Etablierung des nordamerikanischen Bundesstaates kam es daher zu heftigen Auseinandersetzungen.
Als einer der härtesten Wahlkämpfe in der Geschichte der Staaten gilt der von 1800. Die Demokratisch-Republikanische Partei – aus ihr ging die heute noch bestehende Demokratische Partei hervor, derweil die Republikanische Partei erst 1854 auf das Parkett trat – schickte Thomas Jefferson ins Rennen, die Föderalistische Partei den amtierenden Präsidenten John Adams. Im Wahlkampf machten die Republikaner den Föderalisten den wohl schlimmsten Vorwurf, mit dem man seinerzeit einen politischen Gegner belegen konnte. Sie sagten Adams und den Föderalisten monarchistische Tendenzen nach. Die Föderalisten konterten eher zurückhaltend, indem sie die Positionen der Republikaner für zu radikal erklärten. Auslöser des Streits war eine Frage, die bis heute strittig ist und wohl auch in Zukunft zu Debatten führen wird: Wie weit reichen die Kompetenzen des Bundes?
Konkret ging der Streit um ein Gesetz, den „Alien and Sedition Act“. Dieser erlaubte es dem Präsidenten, Ausländer abzuschieben oder in Haft zu nehmen, wenn sie aus Feindstaaten kamen oder der Präsident sie als feindlich ansah. Zudem galt es fortan als Verbrechen, „falsche, schändliche und bösartige“ Schriften gegen die Regierung und ihre Beamten zu veröffentlichen. Die Republikaner sahen die Freiheit bedroht. Jefferson verfasste eine Resolution, die das Parlament in Kentucky passierte. Darin vertrat der Präsidentschaftskandidat die Auffassung, dass der Bund nur die in der Verfassung eindeutig definierten Felder bearbeiten dürfe. Etwas gemäßigter drückte James Madison dasselbe aus, dessen Resolution in Virginia verabschiedet wurde. Die Föderalisten widersprachen unter anderem mit dem Hinweis, dass eine Verfassung nur die Grundlagen, aber keine Einzelheiten regeln könne.
Jefferson gewann die Wahl, hatte im Wahlmännergremium aber ebenso viele Stimmen wie sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Aaron Burr. Damals gab es keine getrennten Wahlgänge für beide Ämter. Stattdessen wurde der Kandidat mit den meisten Stimmen Präsident, der Zweitplatzierte Vizepräsident. Somit war es sogar möglich, dass Präsident und Vizepräsident aus unterschiedlichen Parteien kamen. Da im Wahlmännergremium ein Patt zwischen Jefferson und Burr herrschte, musste das Repräsentantenhaus entscheiden. Dort stimmten die Föderalisten für Burr, sodass Jefferson die nötige Mehrheit verfehlte. Erst im 36. Wahlgang verzichteten einige Abgeordnete der Föderalisten auf die Stimmabgabe, und Jefferson konnte zum dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden.
Mit der Wahl vollendete sich Jeffersons politische Karriere, die in den 70er-Jahren im Parlament von Virginia begonnen hatte. 1774 wurde er als Abgesandter des Landes im Kontinentalkongress in das Komitee gewählt, das die Unabhängigkeitserklärung erarbeiten sollte. Jefferson erhielt den Auftrag, einen Entwurf zu fertigen. Dieser überzeugte die Kollegen beinahe rundum. Nur wenige Änderungen gehen auf John Adams, Benjamin Franklin und einzelne Politiker des Kongresses zurück. Zu Recht steht Jefferson daher als Hauptautor der Unabhängigkeitserklärung in den Büchern.
Die kommenden Jahre wirkte er als Abgeordneter Virginias, aber auch als Diplomat. An die Botschaft in Paris entsandt, erlebte er die Anfänge der Französischen Revolution mit. Allerdings kehrte er bereits im September 1789 in die Vereinigten Staaten zurück, um unter Präsident George Washington als Außenminister zu dienen. Obwohl mit einem zentralen Amt betraut, engagierte er sich schon seinerzeit stark für den Föderalismus, und geriet dabei mit Finanzminister Alexander Hamilton aneinander, denn Hamilton plädierte für die Schaffung einer Zentralbank, die Jefferson ablehnte.
Hinzu kamen Meinungsverschiedenheiten zur Wirtschaftsförderung – Hamiltons Interesse galt der Industrie, Jeffersons der Landwirtschaft – und zur Außenpolitik, da Hamilton die Kontakte zu Großbritannien stärken wollte, während Jefferson mehr nach Frankreich schaute. Da verwunderte es kaum, dass sich um die beiden Politiker die beiden ersten Parteien des Landes bildeten, Jeffersons Republikaner und Hamiltons Föderalisten. Erstmals kandidierte Jefferson 1796 für die Präsidentschaft, wurde aber nur Vizepräsident unter dem Bewerber der Föderalisten, John Adams. Vier Jahre später siegte dann Jefferson, der heute vor 270 Jahren das Licht der Welt erblickt hatte.