Nachruhm dank Hobby
„Der Narr will mir die ganze Kunst Astronomie umkehren! Aber wie die Heilige Schrift zeigt, hieß Josua die Sonne still stehen und nicht die Erde!“
Wie man sich doch irren kann. Seit rund 1400 Jahren predigte die Kirche das geozentrische oder Ptolemäische Weltbild, das die Erde als Mittelpunkt des Kosmos sah. Nun kam ein Gelehrter aus Pommern daher und behauptete einfach, die Erde und andere Planeten würden um die Sonne kreisen. Das durfte natürlich nicht sein, und entsprechend wurde er angefeindet. Dass schon vor ihm Gelehrte wie Regiomontanus und Nikolaus von Kues heliozentrische Weltbilder vorgestellt hatten, störte die Mächtigen wenig. Doch erst sehr viel später gingen sie gegen die Befürworter der neuen Weltordnung gewaltsam vor. Zu Niklas Koppernigks Zeiten galt das heliozentrische Weltbild als Grille, über die man eher spottete als sie zu verdammen.
Koppernigk, der vor 540 Jahren am 19. Februar 1473 das Licht der Welt erblickte, ist heute unter seinem latinisierten Namen Nikolaus Kopernikus bekannt, mitunter auch Nicolaus Copernicus oder Coppernicus geschrieben. Den Nachruhm verdankte er einem Hobby, der Astronomie. Seinen Lebensunterhalt verdiente er dagegen ganz und gar bürgerlich.
Nach Studien der Theologie, des Kirchenrechts und der allgemeinen Jurisprudenz, der Astronomie und der Medizin trat er 1503 als Sekretär und Arzt in die Dienste des Fürstbischofs des Ermlandes, seines Onkels Lucas Watzenrode. 1506 wechselte er in das Domkapitel und arbeitete dort unter anderem die Stellungnahme der preußischen Städte zur geplanten Münzreform aus. 1510, 1519, 1525 und 1528 setzte er sich bei den Wahlen zum Kanzler des Ermländer Domkapitels durch. Seine Bewerbung um das Amt des Ermländer Bischofs scheiterte indessen. Parallel zu seiner Tätigkeit in Kirche und Verwaltung praktizierte er bis ins hohe Alter als Arzt.
Vermutlich 1509 legte er seine erste wichtige Schrift vor. Allerdings bekamen nur Vertraute die Ausarbeitung zum heliozentrischen Weltbild zu sehen, da Kopernikus zum einen fürchtete, nicht ernst genommen zu werden, zum anderen selbst an den gewonnenen Erkenntnissen zweifelte. Der Grund dafür lag in einer falschen Deutung der Planetenbahnen, ging Kopernikus doch davon aus, dass sie kreisförmig verlaufen. Im Kreis sah man seit Aristoteles‘ Tagen eine Art Ideal geometrischer Vollkommenheit, von dem sich Kopernikus nicht zu lösen vermochte, obgleich seine Beobachtungen gegen Kreisbahnen sprachen. Erst kurz vor seinem Ableben veröffentlichte Kopernikus seine Thesen, die er mathematisch nur teilweise zu belegen wusste.
Mathematisch einwandfrei fiel seine Geldtheorie aus, in der er zwei wichtige Grundsätze erstmals klar herausarbeitete. Zum einen definierte er den Charakter des Geldes, parallel den Wert eines Gutes über den Preis zu bestimmen und Zirkulationsmittel zu sein. Zum anderen erkannte er eindeutig, dass schlechtes Geld stets gutes verdränge. Letzteres bezog sich natürlich auf seine Zeit, als der Edelmetallgehalt, in seltenen Fällen der Gehalt nichtedler Metalle, den Wert umlaufender Münzen bestimmte. Heute betrachten Wirtschaftsgelehrte Kopernikus als einen der wichtigsten Denker zwischen Aristoteles und den Schöpfern der liberalen Wirtschaftslehre des 18. und 19. Jahrhunderts.
Nikolaus Kopernikus starb am 24. Mai 1543. Sein astronomisches Werk führten Wissenschaftler wie Galileo Galilei und Johannes Kepler fort. Galilei konnte dank des Fernrohres den Nachweis der Erdbewegung erbringen, Kepler die ellipsenförmigen Bahnen der Planeten astronomisch beweisen und mathematisch erklären. Damit war nicht nur das geozentrische Weltbild widerlegt, sondern auch Josua, auf den sich kein Geringerer als Martin Luther berief. Wenn überhaupt, hielt Gott die Erde auf.