Ruinöser Vorderradantrieb
3.868.631 Limousinen und 1.246.335 Transporter – nur wenige Typen erreichten eine größere Stückzahl als der 2 CV von Citroën. Mehr als 40 Jahre fertigten die Franzosen das schlicht gestaltete und einfach konstruierte Modell, das die Fachjournalisten anfangs mit einem Schmunzeln betrachteten. Dank des niedrigen Preises und der Möglichkeit, praktisch alle Arbeiten am Wagen selbst durchführen zu können, avancierte der 2 CV zu einem Kultauto, das insbesondere Studenten gern fuhren. Zeitweise dokumentierte man mit der Anschaffung einer „Ente“ eine nonkonformistische Einstellung.
Das hatten ihre Schöpfer aber keineswegs im Sinn. Vielmehr wollten sie in den dreißiger Jahren einen Kleinwagen entwickeln, der das Zeug zum Massenauto hatte. Pierre-Jules Boulanger, Direktor von Citroën, soll dem Konstrukteur, André Lefébvre, 1934 folgenden Auftrag erteilt haben: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter Benzin auf 100 km verbraucht. Außerdem soll es selbst schlechteste Wegstrecken bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass selbst eine ungeübte Fahrerin problemlos mit ihm zurechtkommt. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Und schließlich muss das neue Auto wesentlich billiger sein als unser ‚Traction Avant‘. Auf das Aussehen des Wagens kommt es dabei überhaupt nicht an.“
Das Modell sollte dem Unternehmen helfen, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. André Citroën, der heute vor 135 geboren wurde, hatte den Hersteller nämlich mit einem technischen Wagnis fast ruiniert.
1934 kam der „Traction Avant“ auf den Markt, Citroëns erstes Auto mit Vorderradantrieb. Während andere Produzenten, die in etwa zeitgleich Modelle mit Frontantrieb vorstellten, Lizenzen bei Tracta erwarben, ließ Citroën die Technik selbst entwickeln. Finanziell am Ende musste er das Unternehmen an Michelin verkaufen, den größten Gläubiger. Wenig später verstarb er im Alter von gerade einmal 57 Jahren an einem Tumorleiden.
Citroën begann seine Karriere als Getriebehersteller. 1905 gründete er sein Unternehmen. 1908 trat er beim Automobilhersteller Mors ein und erhöhte die Produktion binnen fünf Jahren von zehn auf 100 Fahrzeuge pro Monat. 1912 lernte er vor Ort die Herstellungsmethoden Henry Fords kennen. Kurz nach Kriegsende stellte er 1919 sein erstes eigenes in Serie gefertigtes Modell vor, den 10 HP. Große Erfolge erzielte er mit Halbkettenfahrzeugen, die er werbewirksam auf Expeditionen schickte, unter anderen in die Sahara und in das Himalaya-Gebirge. Ob er noch an der Konzeption der Ente beteiligt war, lässt sich nicht belegen.