Komponist vieler Kinderlieder
Gerhard Löwenthals „ZDF-Magazin“ war stets umstritten. Viele störte seine als politisch einseitig gewertete Ausrichtung. Harte Worte fielen, sogar den Vergleich mit dem „Schwarzen Kanal“ des DDR-Fernsehens musste sich Löwenthal gefallen lassen. Seine Positionen lagen zweifellos im Grenzbereich zwischen Mäßigung und Radikalität. Mit der gewählten Titelmelodie dokumentierte er indessen, dass er durchaus über den Tellerrand hinauszublicken vermochte.
Diese stammte keineswegs, wie zu erwarten gewesen wäre, von einem Deutschen, sondern von einem Polen. Löwenthal entnahm sie dem „Intrada“ genannten ersten Satz des Konzertes für Orchester, geschrieben zwischen 1950 und 1954 vom Witold Roman Lutos?awski, dessen 100. Geburtstages wir heute gedenken.
Lutos?awskis Weg in die Musik war eigentlich vorgezeichnet, ermöglichten ihm die Eltern doch schon in früher Kindheit privaten Klavier- und Violinunterricht. Nach der Matura studierte er denn auch am Warschauer Konservatorium, erlernte unter anderem das Handwerk des Komponisten bei Witold Maliszewski, einem Schüler Nikolaj Rinskij-Korsakovs, und besuchte die Pianistenklasse Jerzy Lefelds. Parallel studierte er an den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten.
1938 legte er sein erstes großes Werk vor, die Sinfonischen Variationen. Um seine Studien abzuschließen, wollte er nach Paris gehen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen war daran aber nicht mehr zu denken. Immerhin gelang es Lutos?awski, aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen; in der Armee hatte er als Funker gedient. Als Kaffeehaus-Pianist konnte er seinen Lebensunterhalt in Warschau bestreiten. Dabei trat er oftmals gemeinsam mit Andrzej Panufnik im Duett auf. Die dabei gemachten Erfahrungen kamen ihm nach dem Kriegsende und der kommunistischen Machtergreifung zugute.
Das stalinistische Regime lehnte nämlich Lutos?awskis Erste Sinfonie als „formalistisch“ ab und verbot ihre Aufführung. Um als Künstler existieren zu können, musste sich Lutos?awski der Gebrauchsmusik zuwenden. Für den Rundfunk arbeitete er ebenso wie für Theater und Film. In Polen ist er zudem als Komponist vieler Kinderlieder bekannt.
Nach Stalins Tod ließen ihn die Machthaber dann gewähren. Besser als die Herrscher anderer Ostblockstaaten erkannten sie die Bedeutung kultureller Freiräume für die Entwicklung des Landes. Daher ließen sie Lutos?awski mit modernen Musikstilen experimentieren, die im Ostblock insgesamt verpönt waren. Er avancierte zu einem Aushängeschild zeitgenössischer polnischer Musik. Besonderes Interesse brachte er den Verbindungen zwischen Musik und Mathematik entgegen.
Im In- wie Ausland wurden seine Werke vielfach aufgeführt und eingespielt. 1962 hielt er Kompositionskurse in den USA ab – in Polen herrschte stets mehr Reisefreiheit als in den anderen Ostblockstaaten, wenngleich die Verhältnisse natürlich nicht mit denen im Westen vergleichbar waren. International wirkte er als Juror in Kompositionswettbewerben, unter anderem während der Donaueschinger Musiktage. Als Komponist und Dirigent nahm er am „Warschauer Herbst“ teil, einem der wichtigsten Kulturfestivals des Landes. Mehr als ein Dutzend Universitäten in Europa und Nordamerika verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Allein den ersten Preis des Kompositionswettbewerbes der Unesco gewann er drei Mal.
Als Witold Lutos?awski am 7. Februar 1994 in seiner Heimatstadt Warschau verstarb, trauerte nicht nur Polen um einen großen Tonsetzer.