Zinnober Zacke: Politik mit Marken
Zinnober entdeckt, dass eine einfache Frage ganz schön viel Staub aufwirbeln kann.
Der Hochzeitstag meiner Eltern fiel auf einen verregneten Wintertag, und die eingeladene Verwandtschaft redete nur über langweilige Themen. Kein Wunder, meine Mutter hatte meinen Vater ja inständig gebeten, nicht über Politik zu diskutieren. Das gibt ja immer Ärger, weil die beiden Großväter doch recht unterschiedliche Auffassungen haben. Ich stahl mich also schnell davon und ging Briefmarken sortieren. (…weiter…)
Ich wollte mein Briefmarken-Album aufpeppen und die Dauerserien „Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten“ auf einer Landkarte anordnen. Das hatten wir beim Erdkunde-Projekt ja schon einigermaßen ordentlich hingekriegt (siehe BMS 8/12 – auch wenn da in der abgebildeten Fassung nicht alles perfekt stimmte, wie einige aufmerksame Leser mir später erklärten). Eine Deutschland-Karte hatte ich schnell bei Wikipedia gefunden und ausgedruckt. Dann ging es nur noch darum, die Orte zu bestimmen.
Ortsbestimmung kein Problem?
Ich dachte, dass ich damit bestimmt schnell fertig werden würde. Mit etwas Hilfe von Wikipedia und einigen Landkarten im Internet fand ich denn auch die meisten Orte ohne große Probleme und konnte die Briefmarken ordentlich platzieren.
Merkwürdig kam mir allerdings die 5-Pfennig-Marke vor: Auf allen Karten, die ich fand, lag Stettin ganz deutlich in Polen. Ganz komisch wurde es dann bei der 90-Pfennig-Marke: Königsberg liegt ja nochmal 400 Kilometer weiter östlich. Wie kommt ein Königsberger Gebäude auf eine Serie mit deutschen Gebäuden? Leider war Dr. Phil verreist und hatte sein Handy abgeschaltet. In meiner Verzweiflung ging ich runter und fragte die Erwachsenen.
Bundesdeutsches Selbstverständnis
Das stellte sich als schwerer Fehler heraus, denn statt eine kurze Erklärung zu liefern, war binnen kürzester Zeit eine wüste Diskussion im Gange. Meine Mutter schaffte sicherheitshalber das Geschirr in die Küche und warf mir strafende Blicke zu.
Aber immerhin bekam ich Antworten: Von den 16 Motiven der Dauerserie „Deutsche Bauten aus zwölf Jahrhunderten“ befindet sich eines in Russland, zwei in Polen und vier in der damaligen DDR. Die Dauerserie erschien Ende der 1960er-Jahre, also mehr als 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg wurden einige deutsche Gebiete Polen bzw. der Sowjetunion zugeschlagen. Dies hat die Bundesrepublik aber erst 1970 vorläufig und 1990 endgültig anerkannt. So wurde mir das jedenfalls von den Erwachsenen erklärt. Ach ja, und noch etwas erwähnten sie: Die Briefmarken dokumentieren damit das Selbstverständnis der Bundesrepublik, für ganz Deutschland zu sprechen und die deutsche Teilung nicht als endgültig zu akzeptieren.
Irgendwann haben sich dann übrigens alle wieder beruhigt…
Zinnober Zacke
Dr. Phil informiert
Da ist Zinnober ja ganz gut ohne mich ausgekommen. Vielleicht sollte ich noch ergänzen, dass die Postverwaltungen des Warschauer Paktes Briefe mit diesen Briefmarken meist zurückschickten.
Von der Dauerserie gibt es zwei Ausgaben: Die erste, sehr einfach gestaltete mit hellem Hintergrund, und die zweite und umfangreichere Ausgabe mit dunklem Hintergrund. Die Briefmarken der ersten Ausgabe waren übrigens 37 Jahre lang gültig. Länger waren in Deutschland nur Bayerns MiNr. 30/31 (1874 bis 1912) und Württembergs Dienstmarken MiNr. 101/102 (1875 bis 1920) verwendbar.
Mittelmeerländer 2024/2025 (E 9)
ISBN: 978-3-95402-479-7
Preis: 74,00 €
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