„Wächter der Verfassung“
Groß waren die Erwartungen nicht, als Juan Carlos Alfonso Víctor María de Borbón y Borbón-Dos Sicilias am 22. November 1975 den Thron bestieg. Gut 43 Jahre nach Ausrufung der Republik am 14. April 1931 – König Alfonso XIII. ging ins Exil – kehrte Spanien damit zur Monarchie zurück. Amt und Titel verdankte Juan Carlos dem Militärdiktator Francisco Franco.
Franco hatte 1936 gegen die frei gewählte republikanische Regierung geputscht und damit den Bürgerkrieg vom Zaune gebrochen, der Spanien die kommenden drei Jahre heimsuchen sollte. Unter anderem mit Unterstützung Hitler-Deutschlands gelang es Franco, die Republikaner niederzuwalzen. 1946 verkündete er dann die Rückkehr zur Monarchie, ohne allerdings einen König zu berufen. Alfonso XIII. war zwischenzeitlich verstorben, Thronfolger Juan de Borbón y Battenberg galt als Gegenspieler Francos. Am 25. August 1948 einigten sich Juan Carlos‘ Vater und der Diktator darauf, den heute vor 75 Jahren am 5. Januar 1938 geborenen Juan Carlos zum Nachfolger Francos auszubilden. Am 22. Juli 1969 verkündete Franco, dass nach seinem Ableben König Juan Carlos der Regierung vorsitzen solle.
Juan Carlos war ab 1948 in Spanien erzogen worden. Nach der Schule absolvierte er zunächst Studien an den Militärakademien, ehe er in Madrid Internationales Recht, Verfassungsrecht, Steuerpolitik und Wirtschaftslehre studierte. Herkunft und Ausbildung ließen also nicht unbedingt erwarten, dass er nach Francos Tod Spanien in den Kreis der demokratischen Staaten zurückführen würde.
Doch schon in seiner ersten Thronrede betonte er den Wert einer freien Gesellschaft. Sein Amt definierte er als „Wächter der Verfassung und Kämpfer für die Gerechtigkeit“. Wenig später ernannte er den franquistischen Politiker Adolfo Suárez zum Ministerpräsidenten einer Übergangsregierung, die 1977 die ersten freien Wahlen seit den dreißiger Jahren gewann. 1978 nahm die Bevölkerung schließlich die neue Verfassung mit 88-prozentiger Mehrheit an. Als dann am 23. Februar 1981 franquistische Militärs zu putschen versuchten, stellten sich Juan Carlos und Suárez entschieden dagegen. Die Demokratie hatte ihre Feuerprobe bestanden. Im Folgejahr gab es den ersten Regierungswechsel nach Wahlen, als der Sozialdemokrat Felipe Gonzáles Márquez die Regierungsgeschäfte übernahm.
Seit der Rückkehr zur Demokratie wirkt Juan Carlos wie seine europäischen Amtskollegen vor allem repräsentativ. Seine Stimme hat Gewicht, spätestens seit seiner Fernsehansprache vom 23. Februar 1981. Vornehmlich bürgernah auftretend, ist er ein Freund des direkten Wortes. Legendär wurde seine an den linkspopulistischen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gerichtete Frage „Warum hältst du nicht die Klappe?“ auf dem Iberoamerika-Gipfel im November 2007. Ein franquistischer Militär als Fürsprecher der Demokratie – das konnte sich vor 1975 kaum jemand vorstellen.