Legende vom genialen Beobachter

Frankreich 1995 Pasteur

1995 gedachte Frankreich des 100. Todestages Louis Pasteurs (Abb. Schwaneberger Verlag).

„Pasteurisiert“ – dieser Hinweis findet sich heute zumeist auf Verpackungen von Milchprodukten. Das Grundprinzip stammt wirklich von Louis Pasteur. Der Chemiker und Mikrobiologe hatte nachgewiesen, dass Lebensmittel länger haltbar sind, wenn man sie kurz erhitzt. Mit Wein gelang ihm das auch, ebenso mit Essig. In Deutschland und Österreich konservierte man zudem Flaschenbier nach Pasteurs Methode. An der Milch scheiterte er aber. Bereits 1861 hatte er nämlich festgestellt, dass sich Milch auch bei 100 Grad Celsius nicht zuverlässig sterilisieren lasse. Der Durchbruch gelang schließlich dem deutschen Agrikulturchemiker Franz von Soxhlet und dem Hygieniker Carl Flügge.
Schon früh hatte Pasteur, an den wir heute anlässlich seines 190. Geburtstags erinnern, die Erkenntnis gewonnen, dass die Gärung auf Organismen zurückzuführen ist. Während der Forschungen kam ihm der Gedanke, dass auch Fäulnis eine Form der Gärung sei. Zwar belegte er dies nicht schlüssig. Die Schlussfolgerung lag aber nahe, Gärung und Fäulnis durch das Abtöten der Organismen zu beenden. Pasteur unternahm dafür zahlreiche Experimente, in denen er unter anderem die Existenz von Mikroorganismen in der Luft nachwies.
Pasteur nutzte die Ergebnisse seiner Forschungen aber nicht nur dazu, Lebensmittel zu konservieren. Er wandte sich auch der Untersuchung von Krankheiten zu und wies beispielsweise nach, dass Regenwürmer den Erreger der Milzbrand an die Erdoberfläche beförderten. Daher riet Pasteur den Bauern, an Milzbrand verendete Tiere nicht auf Ländereien zu verscharren, die später zu Weidezwecken genutzt werden sollen. Bei der Erforschung eines Erregers der Sepsis stellte er erstmals fest, dass Erreger unterschiedlich starke Krankheitsbilder hervorrufen. Damit legte er eine Basis für die Entwicklung von Lebendimpfstoffen. Bis der Beweis am Beispiel der Geflügelcholera erbracht war, mussten Pasteur und seine Mitarbeiter aber lange Experimentalreihen durchführen. Die später weit verbreitete Legende vom genialen Beobachter förderte Pasteur, indem er oftmals überaus frühzeitig mit Erkenntnissen an die Öffentlichkeit ging. So postulierte er die Entdeckung einer Bakterie, die unter anderem Furunkel hervorrief, nachdem er lediglich einen einzigen Patienten untersucht hatte.
Obwohl Versuche mit abgeschwächten Milzbranderregern – Henry Toussaints Beitrag dazu geriet in Vergessenheit – erfolgreich verliefen und auch ein Impfstoff gegen Schweinerotlauf die Erwartungen erfüllte, wagte sich Pasteur lange nicht an die Entwicklung von Impfstoffen für Menschen. Der Durchbruch gelang ihm mit einem Impfstoff gegen die Tollwut, den er zunächst an Hunden erprobte. Als er am 26. Oktober 1885 die Öffentlichkeit von der Heilung eines mit Tollwut infizierten Jungen informierte, schien der Durchbruch geschafft. Die Labortagebücher belegen allerdings, dass die Tierversuche zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren und Pasteur noch mit verschiedenen Herstellungsverfahren experimentierte. Heute hätte er mit seinem Verfahren gegen die ethischen Grundregeln der Wissenschaft verstoßen, seinerzeit sah man vor allem den Erfolg und ließ den Forscher gewähren. Ohne Impfung hätte der neunjährige Joseph Meister wahrscheinlich nicht überlebt.
Pasteurs Ruhm mündete in die Gründung eines nach ihm benannten Instituts, das bis heute besteht. Dessen Eröffnung am 14. November 1888 konnte Pasteur noch erleben, war allerdings schon von mehreren Schlaganfällen gezeichnet. Am 28. September 1895 verstarb er hochgeehrt. Allein das Wort „Pasteurisieren“ wird seinem Lebenswerk bei Weitem nicht gerecht.

Authored by: Torsten Berndt

There are 4 comments for this article
  1. Manfred Baumbach at 10:23

    Die auf der Marke rechts unten abgebildeten Kristalle sind welche von der Weinsteinsäure. Pasteur erkannte, dass es so genannte „rechtsdrehende“ und „linksdrehende“ gibt, daher auch die Darstellung von zwei Kristallen.

  2. Hans Klein at 6:42

    Sehr geehrter Herr Berndt,

    was Ihre Antworten von anderen im Internet positiv hervorhebt, ist das Siezen des Gegenübers. Normalerweise wird im Internet geduzt, wahrscheinlich weil alle glauben, die Amerikaner duzen sich, wenn sie „you“ sagen.

    Mit philatelistischem Gruß

    Hans Klein

    • tb Author at 7:55

      Sehr geehrter Herr Klein,

      Danke!

      Sie haben meine Gedanken korrekt beschrieben.

      Guten Rutsch und freundliche Grüße

      Torsten Berndt

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