Stadt in der Stadt
Die William James Hall und das Engeneering Sciences Laboratory der Harvard-Universität, das Guardian Building in Detroit, das McGregor Center der Wayne State University, das Dhahran Air Terminal – diese Bauten sind wohl nur Kennern ein Begriff. Ihre Entwürfe stammen vom US-amerikanischen Architekten Minoru Yamasaki, der heute vor 100 Jahren in Seattle geboren wurde. Weltbekannt wurde ein Gebäude, das Yamasaki, der an Höhenangst litt, nur mit Einschränkungen betreten konnte: das New Yorker World Trade Center.
1966 begannen die Arbeiten an dem Komplex, der mehr Bauten als die berühmten Zwillingstürme umfasste. Der Nordturm konnte 1972, der Südturm 1973 eingeweiht werden. Für rund zwei Jahre war der Nordturm mit 417 Metern das höchste Gebäude der Welt. Der Sears Tower in Chicago, der heutige Willis Tower, überbot den New Yorker Turm dann. Mit Antenne erreichten beide 527 Meter, weshalb es mitunter Debatten gibt, welcher Bau an der Spitze steht.
Yamasaki, der sich 1949 selbstständig gemacht hatte, konzipierte das World Trade Center als Stadt in der Stadt. Soweit dies bei einem Gebäudekomplex möglich ist, war es autark. Strom, Wasser, Öl und andere Ressourcen bezog der Komplex, der insgesamt sieben Bauten umfasste, natürlich von außen. Ansonsten aber verfügte er über eine eigenständige Infrastruktur. Im Untergeschoss hielt die U-Bahn. Die US-Post vergab eine eigene Postleitzahl für das World Trade Center. Dessen Architekt dürfte den meisten weniger bekannt sein als dessen Zerstörer, der Terrorist Usama Bin Ladin, der sein Studium des Bauingenieurwesens mutmaßlich nicht abgeschlossen hatte.
In seinen Bauten entwickelte Yamasaki einen Stil, der die amerikanische, japanische und indische Formgebung vereinte. Gescheitert ist er mit dem Projekt einer Sozialsiedlung. Pruitt-Igoe in St. Louis überdauerte nicht einmal 20 Jahre. 1956 fertiggestellt, wurde die Siedlung bereits 1972 gesprengt, da niemand der sozialen Probleme mehr Herr wurde. Yamasakis Name ist denn auch mit dem gesellschaftskritischen Begriff der „Einstürzenden Neubauten“ verbunden.
Nichtsdestoweniger trug sich Minoru Yamasaki, verstorben am 6. Februar 1986 in Detroit, mit seinen Entwürfen in das Buch der Architektur ein. Die One M & T Plaza in Buffalo, der Rainier Tower in Seattle oder der Torre Picasso in Madrid gehören zu den stadtbildprägenden Bauten.
Ein DBZ-Abo ist für Gegenwartsphilatelisten unverzichtbar.