Marke der Woche: Ehrung Scotts
Wissenschaftliche Debatten werden in der Regel sachlich und in Ruhe ausgtragen, so die Theorie. Wenn sich die Unterhaltungskultur solcher Streitfragen annimmt, kann der Tonfall schnell etwas schärfer werden. So etwas geschah in den 1970er-Jahren auch bei der Beurteilung des tragischen Südpolar-Helden Robert Falcon Scott. Ein populäres Buch und eine Fernseh-Reihe ließen den Briten nicht gerade vorteilhaft aussehen und schmälerten das Ansehen seiner Leistungen. Grund genug für einen anderen großen Abenteurer, eine Lanze für ihn zu brechen. Sir Ranulph Fiennes gilt – laut Guinessbuch der Rekorde – als der größte noch lebende Entdecker der Welt. Seine Ausdauerleistungen und Expeditionsrekorde sind zahlreich, und auch in den Polargebieten ist der Mann bekannt; immerhin hat er beide Pole persönlich betreten. Insofern wundert es nicht, auf dem aktuellen Markenblock der Insel Man vom 2. Oktober seinen Namenszug zu entdecken. (…weiter…)
Denn er fungierte als Berater und vor allen Dingen als Verfasser der Presseinformationen. Diese betonen nachdrücklich die gewaltige Willenskraft und das schier übermenschliche Ausmaß der bewältigten Härten, den Südpol zu Fuß erreicht zu haben. Amundsen hätte sich ja von Hunden ziehen lassen und sei auch ansonsten doch eher der Abenteurer auf Rekordjagd gewesen, während Robert Falcon Scott mit hohem wissenschaftlichem Anspruch und modernster Technik aufgebrochen sei, unsere Kenntnisse über die südpolare Eiswelt zu mehren.
Nun ja, es ist wahr. Alle diese Argumente mögen ihre Berechtigung haben. Aber in einem Punkt könnte man sich als Außenstehender dann doch fragen, ob die Diskussion denn nicht an der Sache vorbeigeht. Scotts Pläne waren groß, wissenschaftlich und fortschrittlich; entsprechend sahen auch seine Vorbereitungen aus. Aber sie waren einfach nicht zielführend. Wenn ich ein Ziel erreichen möchte, wähle ich ein geeignetes Fortbewegungsmittel aus, nicht ein interessantes oder revolutionär fortschrittliches. Allein die Zweckmäßigkeit seines Vorgehens hat Amundsen im Wettlauf zum Südpol den Sieg beschert. Der Mangel an Zweckmäßigkeit hat Scott und seine Männer das Leben gekostet. Das ist tragisch. Aber er bleibt nun einmal zweiter Sieger… Der in den Scott-kritischen Publikationen aufgeworfenen „Schuldfrage“ hingegen sei entgegnet, dass es sich ja durchweg um erwachsene Männer gehandelt hat, die ihm freiwillig gefolgt sind.
Der französische Schriftsteller Bernard Werber hat in einem seiner Werke die Frage aufgeworfen, wer evolutionär erfolgreicher sein werde, der Mensch oder die Ameise? Seine Entscheidung für die Ameise begründete er mit der Feststellung: Im Falle eines Unglücks stellen sich die Ameisen die Frage, wie das Problem zu lösen sei, der Mensch hingegen frage sich nur, wer Schuld daran habe. Vielleicht ist auch das ein Problem mangelnder Zweckmäßigkeit?
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