275 Jahre Universität Göttingen (Teil II)
„Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem Könige von Hannover, und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, eine Sternwarte, einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist … Die Stadt selbst ist schön, und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht.“ (Heinrich Heine)
Spaziert man durch das beschauliche Göttingen, fällt einem sofort eines auf: Die große Zahl junger Leute, die angelockt durch die ehrwürdige Georgia-Augusta, das Stadtbild wenn nicht verschönern, so jedoch deutlich verjüngen. Was wäre Göttingen ohne seine Studenten? Und die Liste der bekannten oder berühmten Studenten ist lang. Heinrich Heine hatte allerdings eher unschöne Erinnerungen an seine Göttinger Studentenzeit, wurde er doch wenige Monate nach Beginn seines Studiums in Göttingen 1821 von der Universität relegiert. Hintergrund: Heine, der seine jüdische Herkunft zu verbergen versucht hatte, wurde aufgrund seines Judentums von einem Kommilitonen beleidigt und forderte diesen zum Duell, woraufhin er und sein Gegner für ein Semester vom Studium ausgeschlossen wurden.
Heine studierte zunächst in Berlin weiter, kehrte 1824 aber wieder nach Göttingen zurück und promovierte dort 1825 zum Doktor der Rechte. Gefallen hat es ihm in Göttingen und an der Universität jedoch anscheinend immer noch nicht sonderlich, wie man seiner „Harzreise“ entnehmen kann: „Im Allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingetheilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläuftig; auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben. Die Zahl der göttinger Philister muß sehr groß seyn, wie Sand, oder besser gesagt, wie Koth am Meer; wahrlich, wenn ich sie des Morgens, mit ihren schmutzigen Gesichtern und weißen Rechnungen, vor den Pforten des akademischen Gerichtes aufgepflanzt sah, so mochte ich kaum begreifen, wie Gott nur so viel Lumpenpack erschaffen konnte …“
Nun, Heinrich Heine war sicherlich ein besonderer Fall. Einer, dem es in Göttingen besser gefiel, war Georg Christoph Lichtenberg. Lichtenberg studierte von 1763 bis 1766 an der Georgia Augusta, forschte danach am Göttinger Observatorium und wurde 1770 als Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an die Göttinger Universität berufen. Und in Göttingen blieb er bis an sein Lebensende. In Lichtenbergs Vorlesungen zur Experimentalphysik finden wir im Sommersemester 1796 auch Friedrich Wilhelm Gauß unter den Zuhörern, der später ebenfalls als Professor bis zum Ende seines Lebens in Göttingen blieb.
Gottfried August Bürger studierte ab 1768 in Göttingen, von 1769 bis 1772 studierte Adolph Freiherr Knigge hier, der spätere Autor von „Über den Umgang mit Menschen“, und der spätere preußische Reformer Karl Freiherr vom und zum Stein studierte von 1773 bis 1777 in Göttingen Jura und Geschichte. Ab 1786 studierten dann gleich drei Söhne des britischen Königs Georg III. in Göttingen, ein Ereignis, dem die Stadt Göttingen den Namen der Prinzenstraße verdankt. Zur Erinnerung: Gegründet wurde die Universität von Georg II. August, später als Georg II. englischer König und Gründer der Göttinger Akademie der Wissenschaften.
Dieser Georg war übrigens Sohn der Sophia Dorothea von Celle, die nach der Königsmarck-Affäre verbannt wurde und als „Prinzessin von Ahlden“ in die Geschichtssschreibung einging. Sowohl Wilhelm als auch Alexander von Humboldt studierten in Göttingen, Johann Wolfgang von Goethe hätte zwar gern in Göttingen studiert, wurde aber von seinem Vater auf dessen ehemalige Uni in Leipzig geschickt. Bis heute kann man den Göttinger Karzer besichtigen, in dem unbotmäßige Studenten wie etwa Otto von Bismarck einsaßen, der sich ab 1832 hier weniger seinen Vorlesungen als vielmehr dem wilden Göttinger Studentenleben widmete. Geht man heute durch Göttingen, begegnet man überall den Spuren vergangener (Geistes-)Größe, berühmte Namen hängen an Tafeln verschiedener Häuser und Lichtenberg kann man gleich zweimal als Denkmal gegenübertreten. Auch bei späteren Politikern war die Universität beliebt: So studierten hier unter anderem Richard von Weizsäcker, Gerhard Schröder, Ursula von der Leyen, Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel. Ob das an dem hervorragendem Ruf der 275-jährigen Universität oder an dem nach wie vor hervorragendem kulturellen (und gastronomischen) Angebot der Stadt liegt, mag ein jeder selbst beurteilen …
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