Marke der Woche: Kojiki-Chronik
Wer die Vergangenheit eines Landes oder einer Kultur erforschen möchte, braucht Quellen, archäologische oder schriftliche. Naturgemäß sind letztere in geringerer Zahl vorhanden, je weiter man den Blick zurückwirft. Daher haben manche umfangreichen Textwerke auch einen ganz besonderen Stellenwert. Man denke etwa an den Wert des Alten Testaments für die antike Geschichte oder die Edda für das Verständnis der nordgermanischen Kultur. Umfassende Geschichtsschreibung war in der Vergangenheit häufig nur durch großzügige finanzielle Unterstützung möglich, daher verwundert es nicht, dass in sich geschlossene Werke oft die Subjektivität von Auftragsarbeiten in sich tragen.
Die japanische Geschichtsschreibung kann auf zwei zentrale Quellen zurückgreifen, deren ältere dieses Jahr 1300 Jahre alt wird. Es handelt sich um die Kojiki-Chronik des Hofbeamten O no Yasumaro, verfasst um das Jahr 712 n. Chr. In diesem Werk wird von der Gründung der Welt, der Entstehung Japans und dem Aufstieg der kaiserlichen Dynastie berichtet. Es handelt sich nicht um klassische Geschichtsschreibung, sondern vermischt Sagen und Legenden mit historischen Ereignissen. Das verwundert nicht, denn O no Yasumaro hat selbst eine ältere Quelle verwendet, allerding keine schriftliche… Wie im antiken Europa gab es vor der allgemeinen Verbreitung der Schriftlichkeit eine starke mündliche Kultur. Der kunstvolle Vortrag durch einen Redner vermochte auch weiterhin noch lange seine Stellung neben dem Buch zu behaupten. In der Frühzeit hingegen waren diese Sänger oder Rezitatoren oft die einzige Quelle, um etwas über entfernte Länder oder die eigene Vergangenheit zu erfahren. Yasumaro, so heißt es, hat bei dem Verfassen seines Werkes auf die Unterstützung des damals berühmten Rezitators Hieda no Are zurückgegriffen und viele seiner Erzählungen in dem Text verarbeitet. Somit markiert die Kojiki-Chronik auch in dieser Hinsicht einen historischen Wendepunkt, an dem der geschriebene Text sich über die mündliche Erzählung zu erheben begann. Die japanische Postverwaltung würdigte diesen Meilenstein mit einer Sondermarkenserie zu vier Werten im Kleinbogen.
Nur acht Jahre später erschien, vermutlich ebenfalls von O no Yasumaro verfasst oder doch zumindest beeinflusst, das Nihonshoki. Dieses zweite Werk ist sachlicher und historisch korrekter. Was aber noch stärker zum Tragen kommt: Das Nihonshoki betont die Bedeutung der chinesischen Kultur für Japan, was die Kojiki-Chronik noch sorgfältig zu vermeiden suchte. Man erkennt also auch in diesen zwei frühen Texten der japanischen Literatur den Einfluss der Politik auf das Werk des Autoren. Und in diesem Bewusstsein sollte man jegliches Quellenstudium betreiben.
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