Fußball-EM (14): Vielfalt vom Stiefel
Seien wir mal ehrlich: Wer sich gestern Abend das erste Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen Portugal und Spanien angeschaut hat, ist nicht unbedingt verwöhnt worden. Es war über weite Strecken kein schönes, kein attraktives, kein begeisterndes Spiel zwischen zwei Mannschaften, von denen man ebendies eigentlich erwartet hätte. Am Ende triumphierte nach 120 torlosen Minuten der amtierende Welt- und Europameister Spanien durch ein 4:2 nach Elfmeterschießen. Die Spanier erwarten im Endspiel nun Italien oder Deutschland. Wie es auch ausgehen mag: Die Italiener liefern uns aus philatelistischer / thematischer Sicht immerhin einige Ansatzpunkte, wie man eine einfache Fußball-Sammlung aufbauen kann. (…weiter…)
Dass die Italiener als traditionell fußballverrücktes Land vergleichsweise viele Briefmarken mit Fußball-Motiven vorzuweisen haben, deuteten wir in Folge 11 unserer Serie bereits an. Schauen wir mal etwas genauer hin. Italiens erste Serie zum Thema Fußball erschien am 24. Mai 1934 anlässlich der WM im eigenen Land und bestand aus insgesamt neun Werten (MiNr. 479 bis 487), darunter vier Flugpostmarken. 145.000 Sätze wurden insgesamt produziert; der Satzpreis nach Michel liegt postfrisch bei 750 und gestempelt bei 700 Euro. Davor sollten Einsteiger jedoch nicht zurückschrecken, denn wem es genügt, nur einige Marken aus diesem Satz gewissermaßen als „Basis“ in die Sammlung aufzunehmen, ist bereits mit wenig finanziellem Einsatz dabei. Gestempelt liegen die Michel-Preise für MiNr. 479 bis 482 gerade mal zwischen 70 Cent und 10 Euro; die beiden günstigsten Flugpostmarken sind in gestempelter Erhaltung für 7,50 Euro bzw. 10 Euro verzeichnet. Postfrisch wird es freilich deutlich teurer, doch das können Anfänger zunächst einmal ruhig ignorieren. Ohnehin sollten Neulinge, die eine Fußball-Sammlung anlegen möchten, von vornherein überlegen, wo sie ihre Schwerpunkte setzen wollen. Natürlich könnte man einfach erstmal alle möglichen Motive zusammentragen, doch wird man hier – wie bei so vielen Thematik-Gebieten – schnell feststellen, dass eine Spezialisierung sinnvoll ist. Sollen beispielsweise die großen Turniere dokumentiert werden, also etwa Welt- und Kontinentalmeisterschaften und/oder olympische Fußballturniere? Sollen sporthistorische Entwicklungen nachvollzogen werden? Werden bestimmte Nationalmannschaften in den Fokus gerückt? Soll es um Spielstätten / Stadien gehen? Man könnte auch noch deutlich spezieller werden, indem beispielsweise das sich über die Jahre und Jahrzehnte verändernde Design von Fußball-Trikots philatelistisch belegt wird. Das klingt vielleicht etwas weit hergeholt, doch sind es manchmal gerade diese sehr speziellen Eingrenzungen, die das Suchen (und Finden!) neuen Materials für die eigene – dann ja durchaus besondere – Sammlung reizvoll machen können.
Italien liefert hier ein breites Spektrum an Betätigungsfeldern, was zweifellos auch an der enormen Stempelvielfalt liegt, welche uns die italienische Post Jahr für Jahr anbietet. Doch an dieser Stelle soll es nur um die Marken gehen, und da gibt es aus „Bella Italia“ beispielsweise seit 1987 die Möglichkeit, auch Vereinsmannschaften und deren Erfolge zum Sammelthema zu machen. MiNr. 2016 stellt uns den SSC Neapel als italienischen Fußballmeister der Saison 1986/87 vor. Gestempelt ist diese erste Würdigung eines nationalen Titelträgers in Italien für 2,50 Michel-Euro zu haben, postfrisch für einen Euro mehr. Ersttagsbriefe mit dieser Marke schlagen mit 10 Euro zu Buche. Seit 1987 also gibt es diese Marken für den italienischen Meister, und zwar in schöner Regelmäßigkeit, Jahr für Jahr. Mit einer Ausnahme: 2006 gab es eine solche Marke nicht. Hintergrund: Im Jahr 2005 war noch ein Wert zu Ehren der Meisterschaft von Juventus Turin erschienen. Da „Juve“ der Titel später jedoch infolge eines Manipulationsskandals (man sprach damals von „strukturiertem Sportbetrug“) wieder aberkannt wurde und sich der Skandal Mitte 2006 zuspitzte – auch für die Spielzeit 2005/06 wurde Juventus Turin der Titel nachträglich aberkannt und diesmal Inter Mailand zugesprochen – entschied sich die Post, ausnahmsweise auf eine Marke zur Würdigung des Fußballmeisters zu verzichten – sicherlich eine kluge Entscheidung in jener turbulenten Zeit. Seit 2007 gibt es aber wieder jährlich eine Marke für den italienischen Meister, jeweils nach Saisonende. Und so bietet sich Fußball-Sammlern also die Möglichkeit, sich auch mit italienischen Vereinen intensiv zu beschäftigen. Für erfolgreiche Clubs wie den AC Mailand, Inter Mailand oder eben auch Juventus Turin bieten sich fast schon eigene „Unter-Sammlungen“ an. Seit 1987 gewürdigt wurden zudem der SSC Neapel, Sampdoria Genua, AS Rom und Lazio Rom.
Italien hat aber auch noch andere interessante Teilaspekte des Fußballsports auf seinen Briefmarken zu bieten. So gab es etwa am 30. Januar 2006 eine Marke, welche die berühmten Panini-Fußballsammelbilder thematisiert (MiNr. 3075). Eine Sammelleidenschaft wird hier also mit einer anderen dokumentiert – eine charmante Idee, auch wenn manche Sammler dem Thema „Werbung auf Briefmarken“ generell skeptisch gegenüberstehen.
Für deutsche Sammler mag eine Beschäftigung mit der Fußball-WM 1990 besondere Freude bereiten. Denn damals in Rom gelang der deutschen Elf zum dritten und bislang letzten Mal der Titelgewinn bei einer Weltmeisterschaft. Seinerzeit gab es in vielen Ländern, vor allem natürlich in Italien selbst, attraktive Marken zur „Italia ‘90“ – und aus manchen auch relativ skurrile, wie etwa die hier gezeigte aus Polen. Die grafische Gestaltung des Wertes mit einem übergroßen Fußball über dem schräg stehenden Kolosseum erscheint recht gewöhnungsbedürftig. Da überrascht es kaum, dass es sich nicht um eine lizensierte Marke handelt, denn es fehlt das offizielle Emblem bzw. der offizielle Schriftzug des Turniers. Aber dafür ist die heute nicht mehr postgültige Marke (Auflage: sechs Millionen Stück) nach Michel auch für gerade mal 20 Cent zu haben.
Abschließend bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass deutschen Sammlern heute Abend nicht die Lust auf italienische Fußballmarken-Vielfalt vergeht…
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